Schulter/ regio-strukturell 6: Projizierte Schmerzen anderer Organe und Neurologische Krankheitsgeschehen

  • Thoracic-Outlet-Syndrom/Thoracic-Inlet-Syndrom
  • Plexus Läsionen + Paresen 
  • Bandscheiben-Affektionen der HWS
  • Herpes zoster 
  • Pancoast Tumor
  • Angina pectoris, Herzinfarkt (überwiegende linke Schulter)
  • Gallenblasen-Störungen (rechte Schulter)

Die Begriffe Thoracic-Outlet-Syndrom (TOS) und Thoracic-Inlet-Syndrom (TIS) fassen alle Kompressionssyndrome des neurovaskulären Bündels im Bereich der oberen Thoraxapertur zusammen. Je nach Kompressionsmechanismus, können neurologische, arterielle oder venöse Symptome im Vordergrund stehen oder kombiniert auftreten. Die Kompressionssyndrome müssen differentialdiagnostisch bei allen Erkrankungen zwischen Halswirbelsäule und Hand einbezogen werden.

Der Terminus TOS/TIS umfasst verschiedene, einzelne Auslöser für dieses Kompressionssyndrom. Werden die einzelnen Symptome (neural, arteriell oder venös), sowie der Kompressionsmechanismus analysiert, so lassen sich die Ursachen voneinander abgrenzen. 

1 „Scalenuslücke“   2 „Costoclaviculare Passage“   3 „Subpectorale Passage”

 

Angeborene anatomische Varianten:

 

1.     Zu den ossären Faktoren einer Kompression gehören vor allem die verschiedenen Formen von Halsrippen (in ligamentärer Form oder als Verknöcherungen ehemaliger Partialspangen). Einfache Formen bestehen in der Verbreiterung des Querfortsatzes, größere Halsrippen können bis zur Mitte der ersten Rippe reichen und dort mit dieser Kontakt aufnehmen. Ligamentäre Fortsetzungen reichen nach vorne bis zum SCG. Aus der Enge der topographischen Beziehung von A. subclavia nach dem Austritt aus der Scalenuslücke und dem Plexus brachialis wird klar, dass hier schon geringste zusätzliche einengende anatomische Varianten Probleme verursachen können. Die Vena subclavia wird bei diesem Auslöser jedoch nie komprimiert.

 

2.     Fibromuskuläre Bandstrukturen: Ein häufiger prädisponierender Faktor in der Pathogenese einer Kompression ist das Vorliegen von kongenitalen atypischen fibromuskulären Bändern (zwischen Processus transversus von C7, apikaler Bereich einer Halsrippe, der ersten Rippe oder der Pleurakuppe).

3.     M. scalenus minimus: Der Muskel entspringt vom Processus transversus des 6. und 7. Halswirbels, verläuft zwischen Plexus brachialis und A. subclavia und inseriert an der ersten Rippe oder Pleurakuppe. In diesem Fall besteht die Gefahr, dass der Zugang zur Scalenuslücke oder diese selbst eingeengt werden. Die Kompression der neurovaskulären Strukturen wird durch das Tragen schwerer Lasten oder durch die Haltungsänderung bei erhobenem Arm verstärkt.

M. Scalenus-anterior-Syndroms: hier kommt es zu einer Kompression zwischen dem M. Scalenus anterius und dem M. Scalenus medius.

 

4.     Weitere anatomische Varianten, wie eine Steilstellung der erste Rippe (über 45°) und eine Hypertrophie der Mm. scaleni und ihrer Ansätze an der ersten Rippe können durch Verkleinerung des Winkels zwischen M. scalenus anterior , erster Rippe und Klavikula ebenfalls zur Kompression des Gefäß-Nerven-Bündels führen. Bei diesem costoclavikulärem Syndrom kann es bei der Kompression des neurovaskulären Bündels auch zur Einengung der Vena subclavia kommen. Dieses Syndrom wird als Thoracic Inlet (TIS) bezeichnet.

 

Habituell bedingte und erworbene Ursachen:

 

Verschiedene Haltemuster des Schultergürtels, z. B. durch einen Rucksack, Fahrradfahren oder Heben und Tragen schwerer Lasten verringern den Abstand zwischen Clavicula und erster Rippe und bewirken eine Scherenfunktion auf den Gefäßnervenstrang.

Zusätzlich kann die erste Rippe bei Inspiration höher treten und die Kompression verstärken.

Wird das neurovaskuläre Bündel beim Heben des Armes durch den Ansatz der Sehne des Musculus pectoralis minor am Processus coracoideus abgewinkelt und komprimiert, wird dies als Pectoralis-minor- oder Hyperabduktionssyndrom bezeichnet.

Auch durch Fehlbildungen wie Exostosen (auch angeboren) und Fusionen zwischen Rippen oder postfrakturell, durch in Fehlstellung und/oder überschießender Kallusbildung verheilten Clavikulafrakturen, kann ein Kompressionssyndrom ausgelöst werden. Weitere Auslöser können Tumoren, Entzündungen der Pleura, Lungenspitze, des Grenzstranges sowie des umgebenden Binde- und Stützgewebes sein und darüber hinaus auch strahlenbedingte Gewebsvernarbungen.

Über 60 % der TOS-Patienten erlitten in der Vorgeschichte ein Trauma der Schulter-, Hals- oder Nackenregion (z. B. Auffahr- und Sportunfälle, Schlageinwirkung usw.). Dabei kommt es zu Quetschungen, Gewebseinrissen und Muskelhämatomen. Diese Gewebsläsionen heilen unter Ausbildung von narbig-fibrösen Muskel- und Bindegewebe aus und führen nachfolgend zur Verengung der Scalenuslücken.

 

Symptome (in Abhängigkeit vom Kompressionsmuster):

 

Die Symptomatik bei Patienten mit TOS wird oft durch die Bewegung und Belastung der Schulter ausgelöst oder verstärkt. Je nachdem, welcher Anteil des neurovaskulären Bündels durch die Kompression betroffen ist, unterscheidet man neurologische von vaskulären Beschwerden.

Häufig ist es schwierig, neurologische und vaskuläre Symptomatik zu differenzieren, da eine Verengung und Kompression im Bereich des Schultergürtels alle drei Strukturen (Nerv, Arterie, Vene) betreffen kann, wobei überwiegend die neurologische im Vordergrund steht.

 

Man kann in Abhängigkeit von den betroffenen Nervenwurzeln zwei neurologische Beschwerdebilder unterscheiden: den oberen Plexus Typ C5-C7 (selten) und den unteren Plexus Typ C8-Th1.

 

Typischen Symptome der Patienten vom Typ C5-C7 sind Schmerzen an der seitlichen und hinteren Halsseite, die zum Kieferwinkel, Ohr und Hinterkopf ziehen. Die Schmerzen breiten sich über die Schulter und die Außenseite des Armes aus und können bis hin zum Daumen und Zeigefinger reichen. Durch die Drehung und/oder Neigung des Kopfes zur Gegenseite können die Beschwerden provoziert bzw. gesteigert werden.

 

Die Kompression des unteren Typs C8-Th1 führt zu Schmerzen im Bereich der Dorsalseite der Schulter und Axilla , die sich häufig bis zur Innenseite des Arms und zu den Fingern ausdehnen. Zudem können diese Schmerzen oft durch Abduktion ausgelöst werden. Die Patienten klagen über Einschlafen des Armes und nächtliche Kribbelparästhesien, häufig in Assoziation mit vermehrter Schweißabsonderung und einem Kältegefühl in der Hand als Ausdruck der geschädigten sympathischen Nervenversorgung.

 

Bei beiden Kompressionstypen kommt es im Verlauf zu einer Schwäche und einem Schweregefühl des betroffenen Arms.

 

Symptomatik:

 

Bei arterieller Kompression sind die Leitsymptome rasche Ermüdbarkeit, „Claudicatio-artige“ Schmerzen bei Überkopfarbeit, sowie Blässe, Kälte der Hand, Pulsabschwächungen und Pulsverlust. Arterielle Störungen entstehen vor allem bei knöchernen Anomalien (s.o.) und dem costoclavikulärem Auslöser.

 

Akrale Embolien können das erste klinische Zeichen eines TOS sein.

  • Dysästhesien
  • Schmerzen (Kompressionstypen siehe oben)
  • Muskelschwäche, Lähmungen
  • Pulsverlust der Art. radialis bei Elevation des Armes
  • Kältegefühl der Hand bis zu Zyanose in Verbindung mit Kraftverlust
  • Poststenotische Aneurysma-Bildung mit thrombotischer Konsequenz (arterielle Embolien), Schwergefühl, venöser Stau

Diagnostische Verfahren:

 

Der erste und wichtigste Schritt in der Diagnostik eines TOS besteht darin, dass man überhaupt an das Vorliegen eines derartigen Syndroms denkt.

Durchschnittlich 6,5 konsultierte Ärzte verschiedener Fachrichtungen benötigen einen Zeitraum von 4,3 Jahren, um die richtige Diagnose eines TOS zu stellen.

  • Röntgen zum Beweis des Vorliegens einer Halsrippe
  • Angiografie bei arterieller Symptomatik in Neutral- und Provokationsstellung
  • Phlebografie bei venöser Symptomatik und Thromboseverdacht (TIS)
  • Duplexsonografie
  • Bei neurologischer Symptomatik entsprechende differentialdiagnostische neurologische Abklärung (Radikulopathien, Sulcus ulnaris Syndrom, KTS), systemische Erkrankungen (MS)
  • Die Möglichkeit der Koinzidenz eines TOS/TIS mit einem Karpaltunnelsyndrom (KTS), welches auch als sogenanntes "double crush syndrome" bezeichnet wird, sollte den Untersucher bei jedem nachgewiesenen Karpaltunnelsyndrom an ein TOS/TIS denken lassen.

Quellen:

(Roos DB: The Thoracic Outlet Syndrome is underrated.  Arch Neurol. 47:327-328, 1990  28 Roos DB: Thoracic Outlet Nerve Compression.  Vascular Surgery Third Edition: Rutherford RB 858-874, 19899

(Thetter O, Van Dongen RJAM, Barwegen MGMH: Das Thoracic-Outlet-Compression Syndrom und seine vaskulären Komplikationen.)

(Das neurovaskuläre Kompressionssyndrom der oberen Thoraxapertur: Eine wichtige Differentialdiagnose für Beschwerden im Bereich der oberen Extremität, Deutsche Ärzteblatt 1998; 95(13): A-736 / B-596 / C-561,Wenz, Wolfram; Rahmanzadeh, Masyar; Husfeldt, Klaus Jürgen)

(Aus der Chirurgischen Klinik und Poliklinik, der Ludwig-Maximilians-Universität München   Vorstand: Prof. Dr. W. Mutschler Das Thoracic-Outlet- Syndrom: Diagnostik, Therapie und Ergebnisse  der Münchner Studie,  Dissertation  zum Erwerb des Doktorgrades der Medizin  an der Medizinischen Fakultät der  Ludwig-Maximilians-Universität  zu München ,Mojtaba Sadeghi-Azandaryani, Teheran 2004)

(Dunant JH: Trauma als ätiologischer Faktor beim Schultergürtelsyndrom. VSA 9:74 24 Martinez NS: Traumatic Thoracic Outlet Syndrome)

(Dr. med. Wolfram Wenz ,Stiftung Orthopädische Universitätsklinik Heidelberg .Abteilung Orthopädie II - Schwerpunkt Rehabilitationsmedizin, Schlierbacher Landstraße 200 a ,69118 Heidelberg)

(Wilhelm A, Wilhelm F: Das Thoracic Outlet Syndrom und seine Bedeutung für die Chirurgie der Hand.)

(Gruss JD, Geissler C: Über das Thoracic Outlet Syndrom)

Schulter/ regio-strukturell 6: Projizierte Schmerzen anderer Organe und Neurologische Krankheitsgeschehen

  • Thoracic-Outlet-Syndrom/Thoracic-Inlet-Syndrom
  • Plexus Läsionen + Paresen 
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  • Angina pectoris, Herzinfarkt (überwiegende linke Schulter)
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Der Plexus brachialis bezeichnet eine Gruppe von fünf großen Nerven, die aus dem Rückenmark des Halses (C5- Th1) entspringen und für die Bewegungsabläufe und Empfindungen des Armes, sowie Teile der Schulter- und Brustmuskulatur verantwortlich sind. Kurz nach dem Hervortreten aus der Wirbelsäule vereinigen sich die Nerven zu einem komplizierten Nervengeflecht, welches sich dann armabwärts in einzelne Äste aufteilt. Je nach Versorgungsgebiet kann dann die Zuordnung der einzelnen Muskeln und Hautareale erfolgen.

Der Abschnitt, der als Plexus brachialis bezeichnet wird, geht von den anterioren Ästen (Rami) der Spinalnervenwurzeln C5-Th1 aus und reicht bis zum Achselbereich, wobei die Clavicula unterkreuzt wird.

Strukturell kann der Plexus brachialis in die Abschnitte: Trunci (Stämme), Fasciculi (Bündel) und periphere Nerven, unterteilt werden.

Aufgrund der topografischen Anordnung unterscheidet man die Primärstämme (Trunci) in einen superioren, medialen und inferioren Anteil.

Im Rahmen anatomischer Varianten können auch kleine Faseranteile aus C4 und Th2 beteiligt sein.

Die Fasciculi betiteln die „Bündel“ oder Sekundärstämme und gliedern sich in einen lateralen, medialen, sowie posterioren Anteil und teilen sich später in die Endäste auf (N. musculocutaneus, N. axillaris, N. radialis, N. medianus, N. ulnaris).

Plexusparesen entstehen durch Geburtstraumen oder durch äußere Gewalteinwirkungen, häufig als Traktionsverletzungen bei Motorradunfällen.

Je nach Lokalisation und Ausmaß der Verletzung wird zwischen unterer und oberer Plexusparese differenziert. Die untere Parese wird als Typ Klumpke und die obere als Typ Erb-Duchenne bezeichnet.

Bei einem Geburtstrauma kann es aufgrund der Kindeslage, der Anatomie und Physiologie der Mutter und der Körpergröße des Kindes dazu kommen, dass das Kind mit den Schultern im Geburtskanal hängen bleibt (Schulterdyskotie). Da es sich dabei um einen unvorhersehbaren geburtshilflichen Notfall handelt, der mit einer Hypoxie des Kindes einhergeht, ist sofortiges Handeln erforderlich.

Um das Kind zu gebären, wird der Kopf des Kindes zur kontralateralen Seite einer Schulter gedreht, was eine Verletzung des Plexus brachialis zur Folge haben kann. Eine sofortige Armlähmung unterschiedlichen Ausmaßes, kann die Konsequenz sein.

Von den Nervenwurzeln C5-Th1 sind häufig die beiden obersten betroffen (C5/6), die sog. Erb´sche Lähmung. Diese betrifft dann die Schulter- und Ellenbogenmuskulatur, nicht aber die Hand.

Bei schwersten Verletzungen, sind alle 5 Nervenwurzeln betroffen und auch die Hand ist gelähmt.

Zusätzlich wird der Schwergrad der Nervenverletzung unterschieden (siehe Tabelle unten und: "Kniegelenk, Region 4 /neurovaskuläres Bündel“)  Bei einer „Überdehnung“ bis zum „Abriss“ kann es zu vollständiger Erholung bis zum dauerhaften Verbleib kommen.

Das Kind sollte in den ersten Lebensmonaten konsequent bezüglich der Planung etwaiger therapeutischer Maßnahmen untersucht werden.

 

Die Verletzungsmuster können sich bei traumatischer Plexusparese nach Unfällen ähnlich gestalten.

Das Ausmaß der Läsionen ist trotz moderner Diagnostik nicht vollständig erfassbar. Neurologische Untersuchungen zeigen kurz nach dem Trauma meist eine primär komplette Ruptur mit Muskellähmungen und sensitiven Störungen.

Nach Wochen bis Monaten kann es zur sog. Reinnervation, infolge einer Erholung der nicht komplett durchtrennten Nervenbahnen kommen.

Da in der frühen posttraumatischen Phase meist noch keine vollständige Einschätzung des Ausmaßes der Verletzung erfolgen kann, werden operative Fragestellungen häufig mittelfristig überdacht.

Gründe dafür können posttraumatische Hämatome, unklares Verletzungsausmaß und mangelnde Differenzierbarkeit der einzelnen Nervenstränge sein. Je nach Verletzungsmuster erfolgen Nervennähte, Nerventransplantationen oder Neurotisationen. Letzteres bezeichnet die chirurgische Verlagerung eines peripheren Nervs in ein neues Zielgebiet (neuer Muskel).

In manchen Fällen (Frakturen, Gefäßverletzungen) kann die neurale Verletzung schon früher bekannt sein, so dass es auch zeitnäher zu einer OP-Indikation kommen kann. Im Rahmen einer Schulteruntersuchung (SFT) kann es auch dazu kommen, dass langjährig unbekannte, geringgradigere Paresen (Geburtslähmung) erst aufgedeckt werden.

 

Variabilität der Nervenverletzungen:

  • Intraspinale Nervenwurzelausrisse aus dem Halsmark
  • Intra-/ extraforaminale Nervenwurzelabrisse
  • Läsionen des peripheren Armplexus mit oder ohne Kontinuitätsunterbrechung, supra- und/oder infraclaviculär bis axillär

Traktionsverletzungen erzeugen generell prognostisch ungünstige, langstreckige Fibrosen der Nerven. Mit arteriellen Gefäßdefekten einhergehend aufgrund starker Hämatombildung entsteht häufig perineurales Narbengewebe.

Einteilung des Schweregrades einer peripheren Nervenverletzung und Prognose

 

Einteilung nach Seddon

Einteilung nach Sunderland

Definition

Spontane Regenerations-fähigkeit

Neuropraxie

      I.             

Fokale Demyelinisierung

Vollständig (Stunden bis Wochen)

Axonotmesis

   II.             

Kontinuitätsunterbrechung

Von Axonen bei erhaltenen bindegewebigen Hüllen

Vollständig

(Wochen bis Monate)

Neurotmesis

III.             

Kontinuitätsunterbrechung

Von Axonen und Endoneurium

Partiell

(Monate)

 

IV.             

Kontinuitätsunterbrechung

Von Axonen und Endo-/ Perineurium

Kaum

 

   V.             

Kontinuitätsunterbrechung von Axonen und Endo-/ Peri-/ Epineurium

Keine

 

Wichtigste Kennmuskeln zervikaler Nerven:

 

C5  M. deltoideus

C6  M. biceps brachii

C7  M. triceps brachii, M. pectoralis

C8  Kleine Handmuskulatur 

Die Plexusparesen führen zu motorischen Ausfällen, die eventuell Rückschlüsse auf eine Höhenlokalisation zulassen können. Kommt es infolge eines Bandscheibenschadens der Halswirbelsäule zu einer Beteiligung der motorischen Fasern, so kann man sich gleichermaßen daran orientieren.

 

Ausfälle

Bei oberer Plexusläsion C5 und C6

C7

 Bei unterer Plexusläsion C8, Th1

Schulter

Abduktion, Anteversion, AR

Adduktion

keine

Ellenbogen

Flexion, Sup.

Extension

keine

Hand

keine

Ext./ rad. Flexion

Flexion

Finger

keine

Extension

Flexion, Add./Abd.

 

Bei Unklarheiten während einer Schulteruntersuchung sollte man somit einbeziehen, dass Schmerzzustände, sensible Störungen und muskuläre Schwächen der Schultermuskulatur auch im Bereich der HWS begründet sein können. In allen Untersuchungen der Schulter sollte zumindest ein Kurzüberblick der HWS eingebunden werden. Besteht der Verdacht auf eine Beteiligung der HWS-Region, erfolgen spezifisches Tests (Foramentest, Neurodynamik, Band 2), inklusive einer Überprüfung der Reflexe.

 

Tabelle: Zuordnung der Paresen, Reflexausfälle und Dermatome zu einzelnen Rückenmarkssegmenten (nach Masuhr & Neumann, 2004)

 

Nervenwurzel

Paresen

Reflexausfälle

Dermatom Lokalisation

C5

Mm. deltoideus und biceps brachii

Bicepssehnenreflex

Schulter und lateraler Oberarm

C6

Mm. biceps brachii und brachioradialis

Bicepssehnenreflex

Brachioradialisreflex

lateral oberhalb des Olecranon, radialer Unterarm, Daumen und Zeigefinger radial

C7

Mm. pectoralis major, M. triceps brachii und M. pronator teres

Tricepssehnenreflex

dorsaler Unterarm, Zeige- Mittel- und Ringfinger

C8

kleine Muskeln der Hand

Trömmer-Reflex, Tricepssehnenreflex

dorsaler Unterarm, Ring- und Kleinfinger

 

Der zervikale Bandscheibenvorfall:

 

Fortschreitende degenerative Veränderungen der Bandscheiben, begleitet von sekundär auftretenden osteophytären Veränderungen, insbesondere an den Processi uncinati der Halswirbelkörper, führen zu einer Verengung der Foramina intervertebralia.

In diesen verengten Foramen können einzelne Nervenwurzeln irritiert werden. Entsprechend der Belastung der Halswirbelsäule ist die Wurzel C7 gefolgt von den Wurzeln C6 und C8 am häufigsten betroffen. Das Hauptsymptom ist häufig ein Schulter-Arm-Schmerz, mit Schmerzausstrahlung (in Abhängigkeit der betroffenen Nervenwurzel) in die radiale oder ulnare Seite des Armes und der dazugehörigen Finger.

Neurologisch können zudem segmentale Schmerzen, Parästhesien und sensible Ausfälle auftreten.

Ferner kann es zu motorischen Ausfälle, Reflexabschwächungen, Muskelatrophien und vegetative Störungen im entsprechenden Versorgungsgebiet kommen. Die Schmerzen verstärken sich bei Rotation des Kopfes zur ipsilateralen Seite oder bei der Extension des Halses. Die Halswirbelsäule lässt sich oft kaum noch bewegen und es besteht ein paravertebraler Muskelhartspann. Mediale Bandscheibenvorfälle sind äußerst selten. Diese können aber in kurzer Zeit zu einer hohen Querschnittslähmung führen und sind ein klinischer Notfall.

Schulter/ regio-strukturell 6: Projizierte Schmerzen anderer Organe und Neurologische Krankheitsgeschehen

  • Thoracic-Outlet-Syndrom/Thoracic-Inlet-Syndrom
  • Plexus Läsionen + Paresen 
  • Bandscheiben-Affektionen der HWS
  • Herpes zoster 
  • Pancoast Tumor
  • Angina pectoris, Herzinfarkt (überwiegende linke Schulter)
  • Gallenblasen-Störungen (rechte Schulter)

Die aufgelisteten Krankheiten „Herpes zoster“, „Pancoast Tumor“, „Angina pectoris und Herzinfarkt“, sowie „Gallenblasen-Störungen und Lebererkrankungen“ stellen nur die Spitze eines Eisberges an Möglichkeiten der Projektion von inneren Erkrankungen in den muskuloskelettalen Bereich und vor allem auch Hautareale (Dermatome) dar. Sie sind somit als Beispiele zu verstehen, bei ungewöhnlichen klinischen Mustern und ausführlicher spezifischer Diagnostik, die Augen für andere medizinische Fachgebiete geöffnet zu haben. Im Rahmen einer gründlichen Anamnese und körperlicher Untersuchung kann der Weg eventuell schon geebnet werden.

 

Herpes zoster („Gürtelrose“): Neuralgische Beschwerden nach einer Herpes-zoster-Infektion (postherpetische Neuralgie) mit einem brennenden Charakter als Spontan- oder Dauerschmerz.

Die Schmerzen können einschießenden Charakter haben, aber auch eine Berührungsempfindlichkeit bedeuten. Bei einer Entzündung der Nerven (Neuritis) durch Viren im Falle des Herpes zoster können die Nerven auch nach Abklingen der akuten Infektion gereizt bleiben. Neuralgische Schulter-Arm-Schmerzen und Berührungsempfindlichkeiten können chronifizieren.

 

Pancoast Tumor(„Ausbrecherkrebs“): Der Pancoast Tumor bezeichnet ein schnell voranschreitendes peripheres Bronchialkarzinom im Bereich der Lungenspitze, welches auf Rippen, Halsweichteile und Plexus brachialis übergreift. Typische Symptome sind Schulter-Arm-Schmerzen, interscapuläre Schmerzen, Parästhesien am Unterarm, Lähmungen, Rippenschmerzen und Handmuskelatrophien.

 

Angina Pectoris/ Herzinfarkt: Am bekanntesten ist der linke Armschmerz als ein mögliches Symptom eines Herzinfarktes. Die Schmerzen können aber ebenso in den Oberbauch oder zwischen die Schulterblätter strahlen. Generell sollte man analysieren, ob der Schmerz bewegungs- oder belastungsabhängig ist. Herzbedingte Schulterschmerzen können Belastungsabhängig auftreten, aber nicht bewegungsabhängig. Weitere Symptome für die Möglichkeit eines kardialen Problems sind:

  • Starke Schmerzen über 5 Minuten
  • Massives Engegefühl, Einschnürung („Elefant auf der Brust“)
  • Heftiges Brennen 
  • Übelkeit, Erbrechen, Atemnot in unbekanntem Ausmaß
  • Angstschweiß mit kalter, fahler Haut

Gallenblasenprobleme: Gallensteine und andere Erkrankungen der Gallenblase verursachen Schmerzen am rechten Schulterblatt. Durch Gallensteine verursachte Schulter- und Bauchschmerzen können zwischen 15 Minuten bis zu einigen Stunden anhalten. Meist treten diese Schmerzen nach einer schweren und fetthaltigen Mahlzeit auf.

Pancoast Tumor einer 47-jährigen, weiblichen Raucherin

 

Quelle: Wikimedia commons, 2

dortiger Autor: Jmarchn  

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