Schulter/ regio-strukturell 1: Kapsel + Scapulo-Thorakales Nebengelenk
Eine Kapsulitis Adhaesiva kann primär (ohne erkennbare Ursache) oder sekundär, posttraumatisch, postoperativ oder nach einer anderen Schultererkrankung auftreten. Der Verlauf ist gut vorhersehbar, aber für die Patienten in der Regel zunächst mit Schmerzen und dann mit langwierigen Bewegungseinschränkungen und eventuell limitierter Arbeitsfähigkeit verbunden. Oft beginnen die Schmerzen plötzlich und ohne ersichtlichen Grund bei alltäglichen Bewegungen und werden als einschießend empfunden. Ebenso können sie nach/aus einem Unfalltrauma, unabhängig vom eigentlichen Defekt resultieren.
Der Krankheitsverlauf spielt sich immer in drei Phasen ab. Es beginnt mit einer schmerzhaften Phase, auf die eine „Einfrierphase“ folgt (der Schmerz lässt nach) und endet mit einer „Auftauphase“.
Der Verlauf der drei Phasen nimmt immer mehrere Monate bis zu zwei Jahren in Anspruch. Bei der Mehrzahl der Patienten stellt sich nahezu die vollständige Schulterfunktion wieder her, bei einem geringen Anteil bleiben Restbeschwerden zurück.
Die Frozen shoulder ist dabei von der fibrösen Kapselsteife (folgt) zu differenzieren. Die Frozen shoulder befällt mehr Frauen als Männer, vor allem im Alter zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr. Ein Viertel von ihnen ist (in zeitlich kurzem Abstand) nacheinander an beiden Gelenken betroffen. Als häufige begleitende Grunderkrankungen der Frozen shoulder lassen sich Diabetes mellitus, Hypo- und Hyperthyreosen, das Metabolische Syndrom und Hypercholesterinämie beobachten. Diabetiker haben ein „Lifetime Risk“ von 10-20% an einer Frozen shoulder zu erkranken.
Stoffwechselstörungen scheinen die schmerzhafte Versteifung der Schulter einzuleiten. Die einsetzende Entzündung ist dabei nicht bakteriell oder viral bedingt. Der Nährstofftransport zu den Zellen der Schultermuskulatur und dem Bindegewebe funktioniert nicht mehr, ebenfalls der Abtransport von Stoffwechselendprodukten. Die hungernden Zellen vergären in der Not Glukose zu Milchsäure (Milchsäuregärung). Die Milchsäure wird als „Giftstoff“ aus der Zelle transportiert und führt dann im Extrazellulärraum zu einer lokalen Übersäuerung mit einer folgenschweren entzündlichen Reaktion, der Frozen shoulder.
Die genaue Ursache der Schultersteife ist aber nicht bekannt. Ebenfalls werden Vergleiche mit dem Komplexen regionalen Schmerzsyndrom (CRPS), bekannt als Morbus Sudeck, gezogen. Dort geht die entzündliche Phase in eine dystrophe und schließlich atrophe Phase über und es bleiben in 60% der Fälle erhebliche Einschränkungen der Beweglichkeit zurück. Der Schmerzcharakter (brennend, Berührung), der Schmerzverlauf und die häufig persistierende Hypomobilität zeigen für SFT ein anders Muster.
Symptomatik:
Phase 1:
Phase 2: ca. nach drei Monaten
Phase 3:
Die Frozen Shoulder ist klar abzugrenzen von der sog. "fibrösen Kapselsteife" (sekundären Schultersteife), einer Hypomobilität (FDM: „Tektonische Fixation“) im Rahmen schmerzbedingter Schonhaltung, z. B. bei „Impingement“ oder Arthrose.
Die Grundlage hierfür ist ein chronisch-degeneratives Leiden mit einer schmerzbedingten Schonhaltung des Schultergelenkes/-gürtels. Dieses führt zu Kontrakturen verschiedener Gewebe (Kapsel, Muskulatur-Sehnen-Komplex, Bänder). Durch die zunehmende Versteifung entstehen aber keine Schmerzen, sondern es resultiert daraus eher eine Schmerzreduktion.
Die Kontrakturen betreffen zunächst caudale Kapselbereiche, so dass die Abduktion meist vor der Außenrotation eingeschränkt ist.
Dieses stellt ein Differenzierungsmerkmal zur Frozen shoulder dar.
Schulter/ regio-strukturell 1: Kapsel + Scapulo-Thorakales Nebengelenk
Die Scapula stellt als Teil des Schultergelenkes ein zentrales Element bei Bewegungsabläufen des Armes dar. Sie kann nur die stabile Basis für eine effiziente Armfunktion bieten, wenn sie eine mit dem Oberarm koordinierte, dreidimensionale Bewegung ausführt.
Alle Verletzungen des Schultergürtels, sowie muskuläre Insuffizienzen und Dysbalancen haben Auswirkungen auf die Position und Stellung der Scapula in Ruhe und während der Bewegung.
Veränderte Stellungen und Bewegungsabläufe werden als Scapuladyskinesie bezeichnet.
Es kann dabei ein typisches klinisches Muster erkannt werden. Der mediale Scapularand ist abgehoben und die Scapula-Außenrotation defizitär. Man spricht in diesem Zusammenhang (reduzierte Scapula-AR, sowie posteriore Kippung) auch von einer „Fehlrotation der Scapula“.
Dieses typische Muster kann auch bei asymptomatischen Patienten vorlegen und ist nicht an eine spezielle Schulterpathologie gekoppelt.
Bei intensiver (meist sportlicher) Belastung kommt es in Kombination mit vorliegender Scapuladyskinesie zu funktionellen Bewegungsstörungen, die eine Reizung von Sehnenstrukturen und Weichteilgewebe im Schultergelenksbereich beschleunigen. Dieses sind zumeist die Strukturen, die unter dem Schulterdach (Acromion) oder dem hinteren, oberen Rand der Fossa glenoidale in räumliche Enge geraten, nämlich Rotatorenmanschette, Bursa, Kapsel, sowie der Musculus biceps brachii und Labrum.
Bestehen neben der Scapuladyskinesie noch weitere externe Faktoren (z.B. Acromionsporn) für eine äußere Einengung des Subacromialraumes, so spricht man vom Outlet-Impingement.
Beschwerdebilder eines äußeren Impingements sollten also genau wie das Non-outlet-Impingement (innere Einengung), immer auch vor dem Hintergrund einer möglicherweise vorliegenden Scapuladyskinesie betrachtet werden.
Sportarten mit hoher Erfordernis von Abduktion und Außenrotation (Hochrotation) sind prädestiniert für Schulterverletzungen, wenn dyskinetische Veränderungen der Scapula vorliegen. So entstehen dann Verletzungen mit dem Sportbezug, „Werfer-Schulter“, „Schwimmer-Schulter“ oder „Tennis-Schulter“. Dabei kombinieren sich dann noch häufig Innenrotationsdefizit (folgt) und Hyperlaxität.
Genau wie die Monotonie der Belastung das Impingement begünstigen kann, können die extensiven, wiederkehrenden, einseitigen Bewegungsabläufe aber auch als Entstehungsmuster für die Dysbalance der Scapula dienen. Im Kontinuumdenken ist es leicht verständlich und stellt gewissermaßen einen Circulus vitiosus dar.
Bei Überkopfsportlern kann es durch die Hochrotation des Armes zu einem posterior-superiorem Impingement, d.h. zum Einklemmen der Rotatorenmanschette zwischen dem Humerus und dem hinteren, oberen Rand der Fossa glenoidalis kommen (in der Endphase der Wurfbewegung dagegen zu einem anterior-inferioren Impingement).
Hier können dann durch die Hochrotationsbelastung Partialrupturen der Supra- und Infraspinatussehne entstehen, sowie Einklemmungen des Bicpessehnenankers zu SLAP-Läsionen führen.
Aus einer Scapuladyskinesie resultiert im Schultergelenk eine Einschränkung der Innenrotation, das sog. GIRD-Symptom (Glenohumerales, inneres, rotatorisches Defizit). Dieses resultiert aus repetitiver Überkopfbelastung, sowie mangelndem antagonistischem Training und führt ggfs. zu einer hypertrophierten dorsalen Kapsel. Die Innenrotation bezieht sich dabei auf das Schultergelenk und nicht auf die Scapula-Bewegungsebene!
Etwa 120° einer Elevationsbewegung entfallen auf das Glenohumeralgelenk und 60° auf das Scapulothorakale Nebengelenk.
Die Rolle des Acromioclavikulargelenkes wird bei einer biomechanischen Betrachtung der Bewegungsachsen deutlich, da der anatomische Drehpunkt des Schulterblattes sich dort befindet. Alle Bewegungsachsen laufen durch das ACG.
1. Auf und Abwärtsrotation (Sagittalachse der Scapula)
2. Anteriore und posteriore Kippung (laterale Achse, parallel zur Spina scapulae)
3. Innen- und Außenrotation (craniocaudale Achse)
(Quelle: Jahrgang 64, Nr. 9 (2013) Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin
Dexel J1, Kopkow C2, Kasten P1 Pathomechanismus, Diagnostik und Therapie der Skapuladyskinesie beim Wurfsportler/ Pathomechanism, Diagnosis and Treatment of Scapular Dyskinesis in Throwing Athletes, Klinik und Poliklinik für Orthopädie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden , Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV), Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden)
Korrespondierender Autor: Prof. Dr. med. Philip Kasten Sektionsleiter Schulter und Ellenbogenchirurgie und Sportorthopädie Klinik und Poliklinik für Orthopädie Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden Fetscherstr. 74 01307 Dresden)
Der Begriff Scapula alata („Engelsflügel“) bezeichnet ein Abstehen des medialen Scapularandes vom Thorax. Aus den Bewegungsebenen betrachtet, steht die Scapula in verstärkter Innenrotationsstellung.
Das Bild ist dabei als Symptom zu werten, dessen Ursache analysiert werden sollte. Oft wird es als Zufallsbefund entdeckt und es ist unklar, ob es sich um eine kleine Abweichung im Rahmen der menschlichen Vielfältigkeit handelt, oder ob diese Erscheinung Folge einer ernsten Pathologie ist.
Es könnte sich dabei etwa um eine FSHD (Facioscapulohumerale Muskeldystrophie) handeln. Manchmal stecken Lähmungen dahinter, die durch Kompression während des Geburtsvorganges ausgelöst wurden (Geburtsassoziierte Plexusparese) oder Lähmungen anderen Ursprunges.
Weitere Ursachen können Tumoren am Schulterblatt oder der Brustkorbwand sein, Quetschung des N. thoracicus longus (Rucksack tragen) mit der Folge einer passagerer Parese des M. serratus anterior oder eine Verletzung des N. dorsalis scapulae mit resultierender Rhomboiden-Schwäche.
In allen Fällen ist die Erscheinung, ein Abstehen des Schulterblattes. In Abhängigkeit des Befundes einer Schwäche, bis hin zur Lähmung, können folgende Symptom-Bilder sichtbar sein:
1. Meininger AK, et al, Scapular winging: an update, J Am Acad Orthop Surg, 19(8):453-462, 2011
2. Gooding BW, et al, Scapular winging, Shoulder Elbow, 6(1):4-11, 2014
3. Mummery CJ, et al, Scapular fixation in muscular dystrophy, Cochrane Database Syst. Rev, 2003
4. Waiter JM, et al, Long thoracic nerve injury, Clin. Orthop Relat Res, 368:17-27, 1999
5. Wiater, JM, et al, Spinal accessory nerve injury, Clin. Orthop Relat Res, 368:5-16, 1999)
Schulter/ regio-strukturell 1: Kapsel + Scapulo-Thorakales Nebengelenk
FSHD, oder Fazio-scapulo-humerale Muskeldystrophie ist eine autosomal dominant vererbte Erkrankung vom Muskeldystrophie-Typ „Landouzy-Déjerine“ (Entdecker).
Die betroffene Muskulatur ist dabei im Gesicht (fazio), am Schultergürtel (scapulo) und am Oberarm (humeral) aufzufinden. Man gibt eine Häufigkeit von 1:20000 an (Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke).
Das Krankheitsbild beginnt im Jugend- oder jungem Erwachsenenalter. Alle Erkrankten haben Schwächen im Schultergürtel und der Oberarme, Überkopftätigkeiten sind oft beschwerlich. Die Gesichtsmuskulatur betrifft zunächst die „runden“ Anteile von Mund und Augen, so dass zum Beispiel das Luftballon-Aufblasen schwer fällt.
Bei orthopädischer Diagnostik sollte man hellhörig werden, wenn scapuläre Schwächen beidseits vorliegen, junge Menschen betroffen sind, ein Fortschreiten beschrieben wurde, Hörprobleme bestehen und vor allem Gesichtsmuskelschwächen erkennbar sind (Stirn runzeln und Backen aufblasen).
Später kann sich das Krankheitsbild auch auf andere Bereiche ausbreiten.
Ebenfalls können andere Erbkrankheiten eine Schultergürteldysfunktion herbeiführen, doch sind sie aufgrund des regionalen Primärbefalls differentialdiagnostisch eher anderweitig zu erörtern (z.B. Muskeldystrophie Typ Duchenne und Gliedergürteldystrophien als Oberbegriff).
Hellhörigkeit ist immer gefragt, wenn ein Krankheitsbild für den Untersucher in kein bekanntes klinisches Muster passt.
Schulter/ regio-strukturell 1: Kapsel + Scapulo-Thorakales Nebengelenk
Was schnappt oder kracht, wo unter dem Schulterblatt?
Reibegeräusche, Knacken und Schnappen bei Armbewegungen oder bei Bewegungen der Scapula können unterschiedliche Ursachen haben. Die schmerzfreien oder asymptomatischen Patienten (außer das spürbare Knacken) müssen nicht therapiert werden. Wahrscheinlich ist es auch schwierig oder gar unmöglich die asymptomatischen Reibegeräusche konservativ zu beseitigen. Häufig finden sich skoliotische Wirbelsäulen, Asymmetrien, Dyskinesien und/oder es gab traumatische Ereignisse der HWS/BWS oder des Schultergürtels. Infolge dessen kam es wohlmöglich zu einer Reaktion der intercostoscapulären Bursen (Bursa subscapularis und Bursa scapulothorakalis-infraserratus). Gerade die letztgenannte Bursa liegt randständig der Scapula und kann bei narbiger Ausheilung zu persistierenden Geräuschen und Springphänomen am Rand des Schulterblattes führen. Dieses ist dann in der Regel schmerzfrei und das Narbengewebe „stopft praktisch nur das Loch“ (Guimberteau, siehe „Betrachtung der Faszien im Modell“).
Ein Schulterblattkrachen kann aber auch durchaus schmerzhaft werden und sogar Symptome, wie eine „Armschwäche“ hervorrufen. Meist lassen sich dann in entsprechender Bildgebung chondro-ossäre Befunde , wie Sporne, kartilaginäre Exostosen der Scapula, postfrakturelle Stufenbildungen oder Knochentumoren nachweisen.
Im MRT werden manchmal entzündete Bursen oder Weichteiltumoren gefunden. Auch bei erforderlichen Eingriffen unter dem Schulterblatt kann man heute die ASK verwenden. Steht das auch „Snapping scapula“ genannte schmerzhafte Geschehen, in Verbindung mit muskulären Asymmetrien, einseitigen Belastungen oder Lähmungen, finden sich auch konservative Ansätze.